In diesem Beitrag geht es darum, welche Probleme auftreten können, wenn ein Projektmanager neben dem Tagesgeschäft ein Projektteam führt und was bei der Auswahl des passenden Führungsstils zu beachten ist.
Projektmanager und Führungskräfte stehen immer wieder vor den gleichen Herausforderungen. In einer Serie greife ich Beispiele aus meiner Coachingpraxis auf und zeige Möglichkeiten, wie sie gelöst werden können.
Die Situation
Die Leiterin der Personalabteilung führt neben ihrem Tagesgeschäft parallel mehrere Projekte. In einem Projekt hat es jetzt gehörig „geknallt“. Ein Mitarbeiter hatte einen wichtigen Bericht für den Vorstand nicht rechtzeitig fertiggestellt. Am liebsten hätte sie ihren Mitarbeiter gleich rausgeworfen. Sie war sich aber auch unsicher, was falsch gelaufen ist.
In dem Projekt ging es darum, die Altersstruktur des Unternehmens zu analysieren, um Engpässe durch den Renteneintritt von Schlüsselpersonen frühzeitig erkennen zu können. Als sie nach einer mehrtätigen Dienstreise in ihr Büro zurückkehrt, stellt sie fest, dass der Bericht für den Vorstand, der am Vortag fällig gewesen war, noch nicht fertiggestellt wurde. Sie hatte bereits vor einigen Wochen den Auftrag an ein Projektteammitglied übergeben, der die notwendigen Informationen sammeln und den Bericht schreiben sollte.
Es war nicht das erste Mal, dass dieser eine Frist versäumt hat, obwohl er grundsätzlich sehr sorgfältig arbeitet und auch qualifiziert ist. Sie stellt ihn sofort zur Rede. Er rechtfertigt sich, er hätte zusätzliche Zeit aufwenden müssen, um die Zahlen aus den einzelnen Bereichen zu überprüfen, um ganz sicher zu sein, dass sie auch stimmen. Er hätte sie auch während ihrer Dienstreise einmal vergeblich versucht zu erreichen. Die Personalleiterin ist extrem verärgert und wird sehr deutlich, weil der Mitarbeiter den Bericht nicht fertig hat. Zudem nutzt sie die Gelegenheit, auch einige andere Punkte zur Sprache zu bringen, die sie schon lange stören, wie das Chaos in seinem Büro.
Was ist passiert?
Das unmittelbare Problem ist, dass der Bericht nicht fristgemäß fertig ist. Nun ist zu klären, wie der Bericht jetzt ordnungsgemäß und schnell fertiggestellt werden kann. Zudem wurden auf beiden Seiten Fehler gemacht.
Was hätte die Projektmanagerin anders machen sollen und wie sollte sie jetzt reagieren?
„Weg-delegieren“
In meinem Coachinggespräch mit der Personalleiterin zeigt sich, dass sie tief im Tagesgeschäft steckt und die Projektaufgabe einfach „weg-delegiert“ hat. Ihr wurde klar, dass hier delegieren nicht der richtige Führungsstil ist. Der hängt unter anderem von der Erfahrung und Zuverlässigkeit der Mitarbeitenden (siehe auch Hersey-Blanchard1 und der „Reifegrad“ der Mitarbeitenden), der Bedeutung und Komplexität des Projektes und der Wahrscheinlichkeit ernsthafter Probleme ab.
Sie kennt ihren Mitarbeiter, der auch in der Vergangenheit bereits Fristen versäumt hat. Sie hätte ihn bitten müssen, eine Zeitplanung zu erstellen, und regelmäßig den Fortschritt kontrollieren müssen. Darüber hinaus wäre es hilfreich gewesen, eine Frist zu setzen, die genügend Zeit für die Überprüfung des Berichts lässt und sicherstellt, dass er pünktlich fertig ist. Eingespannt im Tagesgeschäft hat sie dies jedoch vernachlässigt und ihren Mitarbeiter auch nicht zurückgerufen, als er versucht hat, sie auf der Dienstreise zu erreichen.
Auch wenn sie ihn im ersten Moment am liebsten rausgeworfen hätte: Ihr wird nochmal bewusst, dass ihr Mitarbeiter grundsätzlich kompetent und motiviert ist. Er benötigt jedoch Hilfe bei der Planung. Es stellt sich auch die Frage, ob es realistisch war, die Aufgabe fristgerecht zu erledigen oder ob er weitere Unterstützung gebraucht hätte.
Die beidseitige Verantwortung
Neben den Versäumnissen der Personalleiterin hat aber auch der Mitarbeitende Fehler gemacht. Er weiß, dass er nicht immer pünktlich liefert, auch, weil er sehr gründlich und genau ist. Dann sollte er aber proaktiv einen Zeitplan aufstellen und mit seiner Projektleiterin abstimmen. So wäre auch frühzeitig deutlich geworden, ob die Zeit überhaupt ausreicht, wenn die Zahlen vor der Analyse noch auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit überprüft werden müssen, oder ob er weitere Unterstützung braucht. Er informierte die Personalleiterin erst sehr spät darüber, dass es Probleme gibt, und als er es schließlich versuchte, war er nicht sehr beharrlich und rief sie nur einmal erfolglos an.
Die Besprechung effektiv gestalten
Die Personalleiterin hat sich in dem Gespräch nach ihrer Rückkehr nicht darauf konzentriert, wie jetzt der Bericht schnell finalisiert werden kann, sondern ihren Mitarbeiter kritisiert und ihm die Schuld an den Verzögerungen gegeben. Sie hat die Gelegenheit genutzt, auch andere Probleme zur Sprache zu bringen, wie das unordentliche Büro. Diese sind für das unmittelbare Problem, die Fertigstellung des Berichts, aber nicht relevant. Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um solche Themen anzusprechen.
Im Coachingsgespräch definiert sie jetzt genau, wie sie weiter vorgehen will. Ziel muss es sein, zu klären, was getan werden muss, um den Bericht schnell fertigzustellen und dem Vorstand vorzulegen. Im nächsten Schritt wird sich die Projektleiterin mit dem Mitarbeiter in Ruhe zusammensetzen, um das Thema aufzuarbeiten und die weitere Zusammenarbeit zu klären.
Literatur
1 Hersey, P., & Blanchard, K. (1982). Management and organizational behavior: Utilizing human resources (4. Aufl.). Prentice-Hall.
Über die Artikelserie: Praxisbeispiele aus dem Projektmanagement-Coaching
Projektmanagement ist „people business“ und es geht eigentlich immer darum, wie der Projektmanager seine Mitarbeitenden motivieren, die Zusammenarbeit verbessern und Konflikte lösen kann und es geht um Macht, Einfluss und Politik. Der Umgang mit diesen vermeintlich „soften“ Themen (im Vergleich zu den „harten“ Tools des Projektmanagements) ist entscheidend, um Projekte erfolgreich zu führen. Gerade im Gesundheitswesen – aber nicht nur dort – wird jemand aufgrund seiner Expertise gebeten, ein Projekt zu leiten – oft ohne das notwendige Projektmanagement Know-how zu haben und meistens auch in einer schwierigen Führungsrolle, wenn im Team verschiedene Hierarchiestufen und Abteilungen aufeinandertreffen und der Projektmanager keine disziplinarische Verantwortung hat.
Bisher erschienen:
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Mit Managementcoachings, Trainings und Vorträgen unterstütze ich Organisationen im Bereich Projektmanagement und Personalentwicklung. Dabei befasse ich mich vor allem mit Führungsthemen, sowie der Zusammenarbeit verschiedener Generationen und Kulturen. Mein Buch zum Thema „Projektmanagement im Gesundheitswesen“ ist im Springer Gabler Verlag erschienen.
Kontakt aufnehmen