Projektmanager und Führungskräfte stehen immer wieder vor den gleichen Herausforderungen. In einer Serie greife ich Beispiele aus meiner Coachingpraxis auf und zeige Möglichkeiten, wie sie gelöst werden können. In diesem Beitrag geht es darum, wie ein Projektmanager ein Teammitglied, das eine neue Aufgabe übernehmen soll, motivieren kann.
Die Situation
In einem Projekt sollte in einem Teilbereich eine neue Software eingesetzt werden. Der Projektmanager hatte sich die Zeit genommen und mit dem Mitarbeiter ein ausführliches Gespräch geführt. Der Mitarbeiter, der mit der neuen Software arbeiten sollte, war schon sehr lange im Unternehmen und galt als sehr erfahren. Der Projektmanager hatte wahrgenommen, dass der Mitarbeiter sehr unsicher war, ob er mit der neuen Software klarkommt. Ausführlich hatte er dem Mitarbeiter die Vorteile der neuen Software erklärt und auch hervorgehoben, dass damit die Arbeit des Mitarbeiters deutlich vereinfacht wird. Er hatte ihm auch sein vollstes Vertrauen ausgesprochen und ihm gesagt, dass er völlig überzeugt sei, dass der Mitarbeiter das hinbekommt. Zu seiner Überraschung war der Mitarbeiter danach noch verunsicherter. Dem Projektmanager wurde zugetragen, dass der Mitarbeiter wohl ernsthaft überlegte, das Projekt zu verlassen.
Was ist passiert?
Der Projektmanager hat stark lenkend eingegriffen und dem Mitarbeiter gesagt, was zu tun und wie vorzugehen ist. Und, dass er zuversichtlich ist, dass der Mitarbeiter das kann. Je mehr er für die neue Software argumentiert hat, desto mehr hat der Mitarbeiter die Gegenseite eingenommen. Dabei hat der Projektmanager sicher im besten Glauben gehandelt und wollte den Mitarbeiter davon überzeugen, wie gut die Software ist und ihn mit den passenden rationalen Argumenten und aufmunternden Worten zur Einsicht bringen. Das hat aber genau die gegenteilige Reaktion ausgelöst.
Der Mitarbeiter ist verunsichert und sieht die Vorteile der Software, zumindest für sich, nicht. Das vom Projektmanager vermittelte Vertrauen verunsichert ihn eher noch mehr – er fürchtet, die Erwartungen des Projektmanagers zu enttäuschen. Neben der fachlichen Herausforderung kommt jetzt auch noch eine persönliche Herausforderung dazu. Damit wächst der Druck auf ihn und er überlegt, die Flucht zu ergreifen.
Was hätte der Projektmanager anders machen können?
Mitarbeiter möchten sich kompetent fühlen (das zeigt auch die Selbstbestimmungstheorie von Deci1) und wollen ein gutes Ergebnis sehen, wenn sie sich anstrengen. Glauben sie nicht, dass am Ende ein gutes Ergebnis herauskommt (in diesem Fall die erfolgreiche Nutzung der Software) – weil sie zweifeln, die passenden Fähigkeiten für die Aufgabe zu haben – dann fällt es ihnen auch schwer, sich zu motivieren. Es erscheint ihnen sinnlos, diese Anstrengung zu unternehmen.
Der Projektmanager hätte im Gespräch nicht versuchen sollen den Mitarbeiter zu motivieren und zu überzeugen, sondern ihm seine Ängste – die Motivationsbarrieren – zu nehmen. In Anlehnung an die Motivierende Gesprächsführung2 hätte der Projektmanager das Gespräch so gestalten können, dass der Mitarbeiter nicht nur selbst Vorteile für die Einführung der neuen Software formuliert, sondern sich auch selbst vor Augen führt, dass er sehr wohl die Kompetenzen für die erfolgreiche Nutzung hat. Denn durch das Aussprechen formt er auch aktiv seine innere Einstellung. Damit stärkt der Projektmanager den Mitarbeiter in seiner eigenen Motivation und seinem eigenen Engagement für die Veränderung. Dabei kann der Projektmanager vier Schritten folgen:
1. Beziehung aufbauen
Der Projektmanager braucht eine positive Grundhaltung, um eine vertrauensvolle Beziehung zu dem Projektmitarbeiter aufzubauen. Es geht um
- Partnerschaftlichkeit: Der Mitarbeiter hat sicher seine Gründe, Zweifel an der Einführung der Software zu haben. Seien es schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit, aber auch die Angst, den Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Der Projektmanager sollte auf Augenhöhe mit dem Mitarbeiter sprechen und dessen Bedenken ernst nehmen. „Welche Probleme sehen Sie bei der Einführung der Software?“
- Akzeptanz: Auch wenn der Projektmanager die Bedenken nicht teilt, sie übertrieben findet, muss er akzeptieren, dass sein Mitarbeiter diese Bedenken hat und sie nicht einfach wegwischen. „Ich verstehe, dass sie Bedenken bei der Einführung der Software haben. Was genau befürchten Sie?“
- Anteilnahme: Durch die Akzeptanz kommt der Projektmanager auch zur Anteilnahme. Er kann erkennen, dass der Mitarbeiter wirklich Sorgen hat, Mitgefühl zeigen und das Wohlbefinden des anderen aktiv fördern und seinen Bedürfnissen Priorität einräumen. „Wieviel Zeit brauchen Sie, um die neue Software auszuprobieren?“
2. Anliegen klären
Im zweiten Schritt geht es darum, die Bedenken und Bedürfnisse genauer zu verstehen. Der Projektmanager muss versuchen, dass der Mitarbeiter die Ängste und Bedenken selbst formuliert und hinterfragt. „Warum glauben Sie mit der neuen Software nicht klarzukommen?
3. Motivation hervorholen
Um Motivation beim Mitarbeiter hervorzuholen, sollte der Projektmanager den Mitarbeiter selbst herausfinden lassen, dass er die Stärken und Ressourcen hat, um die Aufgabe – in diesem Fall die Nutzung der Software – zu schaffen. Der Mitarbeiter muss selbst zu der Erkenntnis kommen, dass er es kann und seine Ängste übertrieben sind. Dabei helfen Fragen, warum er glaubt, der neuen Aufgabe nicht gewachsen zu sein, oder auch Fragen, wie er ähnliche Situationen früher gelöst. Hatte er schon mal Probleme, mit Software umzugehen? Wenn ja, warum und wie könnte man das lösen? Würde ein Training helfen? Oder hat es in der Vergangenheit immer funktioniert, nur dieses Mal hat er Zweifel? Was sind die Gründe dafür?
Der Projektmanager sollte aufmerksam zuhören und das Gesagte kurz zusammenfassen „Sie hatten also bisher noch nie Probleme mit neuer Software. Was ist dieses Mal anders?“ Es geht darum, die Ängste des Mitarbeiters ernst zu nehmen und ihn dazu zu führen, dass ihm selbst klar wird, dass er die Fähigkeiten hat, mit dieser Aufgabe umzugehen und seine Sorgen unberechtigt sind. Oder dass er die benötigte Unterstützung bekommt und es dann auch schaffen kann.
Techniken, die der Projektmanager anwenden kann, sind, offene Fragen zu stellen, aktives Zuhören, Wertschätzung vermitteln, bei Bedarf aber auch informieren, wenn der Mitarbeiter vielleicht nicht alles über die Einführung der neuen Software weiß (beispielsweise, dass es ein ausführliches Trainingsprogramm gibt).
4. Veränderung planen
Zuletzt werden konkret die nächsten Schritte geplant. Der Projektmanager gibt dem Mitarbeiter damit auch die benötigte Unterstützung.
Das mag zunächst recht zeitaufwendig und mühsam erscheinen, führt aber zum Erfolg. So gestärkt wird der Mitarbeiter die Aufgabe motiviert angehen. Die vom Projektmanager zuerst gewählte Variante, dem Mitarbeiter sein vollstes Vertrauen auszusprechen, ging zwar scheinbar schneller, aber der Mitarbeiter war noch verunsicherter und überlegte sogar, dass Projekt zu verlassen. Damit werden weitere Gespräche notwendig und gegebenenfalls muss der Projektmanager sogar einen neuen Mitarbeiter für die Aufgabe finden.
Im nächsten Beitrag dieser Serie schauen wir uns an, wie ein Projektmanager mit einem Mitarbeiter umgeht, der nicht die erwartete Leistung bringt.
Literatur
1 Ryan RM, Deci EL (2000) Self-determination theory and the facilitation of intrinsic motivation, social development, and well-being. American Psychologist, 55, S. 68-78
2 Miller W, Rollnick S (2015) Motivierende Gesprächsführung. Lambertus, Freiburg im Breisgau
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Über die Artikelserie: Praxisbeispiele aus dem Projektmanagement-Coaching
Projektmanagement ist „people business“ und es geht immer darum, wie der Projektmanager seine Mitarbeiter motivieren, die Zusammenarbeit verbessern und Konflikte lösen kann und es geht um Macht, Einfluss und Politik.
Der Umgang mit diesen vermeintlich „soften“ Themen (im Vergleich zu den „harten“ Tools des Projektmanagements) ist entscheidend, um Projekte erfolgreich zu führen. Gerade im Gesundheitswesen – aber nicht nur dort – wird jemand aufgrund seiner Expertise gebeten, ein Projekt zu leiten – oft ohne das notwendige Projektmanagement Know-how zu haben und meistens auch in einer schwierigen Führungsrolle, wenn im Team verschiedene Hierarchiestufen und Abteilungen aufeinandertreffen und der Projektmanager keine disziplinarische Verantwortung hat.
In dieser Serie zeige ich typische Herausforderungen aus dem Projektmanagement-Alltag und mögliche Lösungsansätze, wie ich sie in meinen Coachings bespreche.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
Mit Managementcoachings, Trainings und Vorträgen unterstütze ich Organisationen im Bereich Projektmanagement und Personalentwicklung. Dabei befasse ich mich vor allem mit Führungsthemen, sowie der Zusammenarbeit verschiedener Generationen und Kulturen. Mein Buch zum Thema „Projektmanagement im Gesundheitswesen“ ist im Springer Gabler Verlag erschienen.
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